Schäferei in den 30er-Jahren

Filmszenen aus alten Zeiten

Historisch interessant war das Referat von Dr. Dieter Spengler, Kirchzarten, Tierarzt beim Schafherdengesundheitsdienst Baden-Württemberg von 1985 bis 2015. Diesen Vortrag hielt er im Rahmen der Vortragstagung des Vereins für Schäfereigeschichte am 19. Juli 2014 in Illerbeuren. Gerade im genannten Zeitraum seiner beruflichen Tätigkeit erlebte der Referent den massiven Rückgang der Herdenhaltung. Besonders aus diesem Grund interessierte er sich für die alten Filme zur Wanderschäferei in Süddeutschland aus dem Archiv des Landesschafzuchtverbandes Baden-Württemberg, um ein Zeugnis aus den 30er-Jahren für die folgenden Generationen zu erhalten. Die von Dr. Spengler bearbeiteten Filme befassten sich mit den Themen „Wanderschäferei“, „Schafwäsche und Wollgewinnung“, „Gemeinde- und Hobbyschäferei“ und „Schäferlauf Markgröningen“.


Wanderschäferei

Die Entwicklung der Wanderschäferei begann ab dem 12. Jahrhundert. Den Anstoß zur Steigerung der Schafzucht, vor allem wegen der Wollgewinnung, gaben die ökonomisch eingestellten Zisterzienser. Die Herdenhaltung hat bis zum heutigen Tag wirtschaftliche Höhen und Tiefen erlebt. Wie kaum ein anderer landwirtschaftlicher Betriebszweig konnte sie sich der jeweiligen wirtschaftlichen Gesamtsituation anpassen und nicht immer hat sie die Aufwärtsentwicklung der allgemeinen Landwirtschaft mitgemacht. Zu allen Zeiten war sie Gesetzen, Verordnungen und der jeweiligen Agrarpolitik unterworfen, die die Schafhaltung entweder förderten oder behinderten. Das Fachbuch „Wanderschäferei“ von Hans Chifflard/Manfred Reinhardt, erschienen im Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, gibt ausführlich Auskunft über die Lebens- und Arbeitsweise in diesem landwirtschaftlichen Betriebszweig.

Der Film zeigt den Jahresablauf der Wanderschäferei um 1930, und zwar die Wanderung von der Winter- zur Sommerweide und weiter zur Herbstweide. Die Herdengröße betrug in der Regel 200 bis 300 Tiere. Die Überprüfung umfasste die Triebgenehmigung durch den Dorfpolizisten und die Kontrolle der Herde durch den Amtstierarzt in Bezug auf Moderhinke, Räude, Maul- und Klauenseuche und den allgemeinen Gesundheitszustand anhand von einzelnen Schafen. Verkehr und Hütehunde ein weiterer Schwerpunkt ebenso wie die Pferchtechnik mit gezielter Düngung der Getreide- und Hackfruchtäcker, das Hüten der Wintersaaten, Wiesen, Wald-, Straßenränder, Nachweide der Stoppelfelder und Hackfrüchte.

In diesem Film kam besonders zum Ausdruck wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Schäferei in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit war, von der beide Seiten profitierten. Der Pferch wird zum betriebswirtschaftlichen Vorteil der Schafhaltung, weil durch die Tiere spärlicher Graswuchs von Ödungen und minderwertigen Weiden in Dünger umgesetzt wird. Diese Möglichkeit der Düngung von Ackerflächen ist leider in unserer heutigen Zeit kaum noch möglich aus den bereits bekannten Gründen. Vielleicht wendet sich eines Tages wieder das Blatt zugunsten der heimischen Schafhaltung, verbunden mit der Nachfrage nach dem wertvollen Schafmist, usw. (Biobetriebe).

Landschaftspflege hat nicht nur heute eine große Bedeutung in unserer Gesellschaft, sondern im Film sieht man detailliert die Beweidung vor allem auf der schwäbischen Alb, wo es an Berghängen noch viele natürliche Schafweiden gab. Diese sog. Vorsommer- und Sommerweiden waren ihre wichtigste Existenzgrundlage. Die damaligen Schäfer hatten gegenüber heute den Vorteil, dass es für sie ausreichend Herbst- und Winterweiden gab.

Bild 1

Schafwäsche und Wollgewinnung

Das Waschen der Schafe ist eine Erfindung der Wanderschäferei. Die Schur und das davor Waschen der Schafe war in Süddeutschland teils noch bis in die 1950er-Jahre üblich. Im Film sah der Zuschauer die Rückenwäsche, die in zwei Phasen verlief, und zwar das Schwemmen und die Schlagwäsche, für Mensch und Tier reinster Stress. An einem Tag konnte man drei bis vier Herden à 200 bis 250 Schafe waschen.

Der nächste Teil des Films zeigte die Handschur mit Frauen bis hin zur Maschinenschur am Hof. Bei der Handschur hatte jede ihre eigene Technik und Geschwindigkeit. Spitzenkräfte schafften bis zu 50 Tiere/Tag. Einem Scherer waren 1,5m2 Arbeitsplatz zugewiesen. Die Entlohnung betrug 25 Pfennig/Schaf. Besonderer Wert wurde auf die Wollpflege gelegt, denn die Wolle hatte zu dieser Zeit einen hohen finanziellen Wert. 1930 lag der Wollpreis bei 1,30 RM/kg Schweißwolle. Der Scheppertisch, heute kaum mehr benutzt, war damals für die Wollpflege und -sortierung nach der Schur sehr wichtig. Die Vliese wurden ausreichend belüftet, verschnürt, sorgfältig verpackt und über die Reichswollverwertung vermarktet. Im Jahre 1995 meldete die „Deutsche Wollverwertung“ Konkurs an und nahm damit ein unrühmliches Ende. Damals gab es auch schon Untersuchungen auf die Wollfeinheit. Die Schurkosten hatte ein Anteil von 1,5 % an den Betriebskosten.

Gemeindeschäferei

Die Gemeinde-, Genossenschafts- und Rechtlerschäfereien entstanden hauptsächlich in der Zeit der sog. „Bauernbefreiung“ durch Ablösung an die Grundherren. Die Ablösungssumme wurde von den Bauern der Gemeinde gemeinsam aufgebracht. Je nach dem Beitrag, den der einzelne Bauer einzahlte, kamen auf den Hof ein, zwei oder mehr Rechte. Ein Recht war immer die Haltung einer gewissen Anzahl von Schafen. Diese Form der Schäfereien hat sich bis Ende der 1960er-Jahre erhalten. Diese Art der Schäferei geht urkundlich zurück bis ins Jahr 1225. Die rechtlichen Grundlagen dafür waren im sog. „Sachsenspiegel“ niedergeschrieben. Der Film zeigt die Vertragsvereinbarung zwischen Bürgermeister und dem angestellten Schäfer und die Hütearbeit während des Jahres. Der Gemeindehirte hütete die Tiere auf der Brache und der Allmende. Im Fachbuch „Wanderschäferei“ ist der Pachtvertrag des Gemeindehirten Georg Strecker aus dem Jahr 1908 zur weiteren Information abgedruckt.

Schäferlauf und Schäferzunft

Die Schäferläufe in Markgröningen seit 1443, abgehalten jeweils am 24. August Bartholomäi, Urach seit 1723, Wildberg und Heidenheim seit 1724 waren für die Schäfer und Schafhalter aus der jeweiligen Region ein gesellschaftliches Großereignis. Der Schäferlauf sollte zeigen, dass der Schäfer schneller laufen kann als das Schaf. Die Krönung der Schäferkönigin und des Schäferkönigs mit dem gemeinsamen Tanz und weiteren Attraktionen, wie Wassertragen, Hahnentanz, usw., waren die Höhepunkte dieser Schäferfeste. Als Siegeslohn erhielt das Schäferkönigspaar einen Hammel und ein Schaf.

Die jeweiligen Schäferfeste waren auch verbunden mit einem Zunfttag und mit einer Standesversammlung. Die Zunftordnung regelte in 18 Paragraphen das Schäfereiwesen. Die Schäferzünfte wurden 1828 abgeschafft und durch eine neue Gewerbeordnung ersetzt. Markgröningen, Urach, Wildberg und Heidenheim setzte diese Tradition des Schäferlaufes und des Zunfttages bis heute fort. Die Zunfttage sind in Heidenheim auf den Jakobifeiertag (25. Juli), in Urach auf Peter und Paul (29. Juni), später ebenfalls auf Jakobi, und in Wildberg auf den Matthäustag (21. September) festgesetzt.

Insgesamt stieß dieser Film mit den fachlichen Erläuterungen von Dr. Dieter Spengler auf sehr großes Interesse, regte zur Diskussion an und rief bei den älteren Teilnehmern manche Erinnerungen wach.

(Literaturnachweis: DVD zum Film „Schäferei  aus alter Zeit“ von Dr. Dieter Spengler, Kirchzarten)

                                                                                                                                                            
Hans Chifflard

Foto von Hans Chifflard

 

Bild 1: Sommerweide für Schafe am Riesrand bei Holheim